Kann und darf ein Gutachter eine beratende Funktion ausüben?
Wie in meinem Beitrag Was macht ein Gutachter? bereits beschrieben, hat ein Sachverständiger gewisse Regeln zu beachten. Die wichtigsten davon sind:
- Unparteilichkeit
- Weisungsfreiheit
- der Gutachter darf keinerlei sonstigen wirtschaftlichen Nutzen aus seiner Tätigkeit ziehen
Gehen wir auf die wichtigsten Punkte genauer ein: sonstiger wirtschaftlichen Nutzen ziehen und Unparteilichkeit.
Es ist NICHT möglich, einen Gutachter zu beauftragen, um diesen um seine Meinung oder gar Mithilfe bei einem Problem zu bitten. Der Sachverständige hat ein Gutachten zu erstatten, welches unparteilich und weisungsfrei ist. Alles andere fliegt Ihnen sonst selber „um die Ohren“, denn die Gegenseite wird genau hinsehen, was Sie tun, und wer Ihr Gutachten erstattet hat.
Wenn ein Gutachter Ihr Problem (z.B. handwerklich) lösen könnte, ist es ihm dennoch nicht gestattet, für Sie tätig zu werden, da es dem Gutachter per Gesetz verboten ist, jedweden sonstigen wirtschaftlichen Nutzen bzw. Gewinn aus seiner gutachterlichen Tätigkeit zu schlagen.
Beispielhaft wäre ein Marketing, dass ich Küchengutachter bin, und gleichzeitig ein Küchenstudio betreibe. Das wäre wettbewerbswidrig, wenn ich beide Komponenten so vermische, um mir einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Küchenstudios zu verschaffen.
Wie kann ich einen Gutachter als Berater oder parteilichen Erfüllungsgehilfen beauftragen?
Entweder betreibe ich selbst kein Küchenstudio (das ist der Fall), oder ich betreibe selbst keine Küchenmontagefirma (auch das ist der Fall).
Sie können mich also auch als Berater oder für eine Küchenmontage beauftragen (welche von mir empfohlene Firmen durchführen). Dann ergreife ich für Sie Partei, was ein Gutachter nicht darf, ein Berater aber schon.
Wichtig hierbei ist zu Wissen: Sie dürfen mich vormals nicht als Gutachter gerufen oder bestellt haben. Gleichwohl ist es nicht möglich, nach erfolgter Beratung noch ein unabhängiges Gutachten zu fordern.
Wenn Sie mich, wie viele Auftraggeber es tun, als Gutachter rufen, und hernach aber eine Beratung wünschen, oder gar eine vermittelnde Tätigkeit zur Lösung des Problems, dann hat das nichts mehr mit gutachterlicher Arbeit zu tun. Sie sollten also sorgfältig abwägen, in welcher Funktion Sie meine Expertise in Anspruch nehmen möchten. Eine Beratung, ob diese oder die andere Variante die Richtige wäre, dürfen Sie von mir nicht erwarten. So ich mich dazu äußere, bin ich Berater, und die Sache mit dem Gutachter ist ab dann Geschichte!
Die Situation in der Alltagspraxis ist in über 90% der Fälle immer die Gleiche:
Ein Auftraggeber hat ein Problem z.B. mit einer mangelhaften Küchenmontage. Ich werde gerufen, um ein Gutachten zu erstatten. Bereits beim Betreten des Küchenraumes des Auftraggebers werde ich mit der kompletten Geschichte der verpfuschten Küche konfrontiert (das interessiert einen Gutachter nicht; er ist da, um Mängel festzustellen und zu dokumentieren).
Weiter geht´s mit Getränke-Angeboten und vielen Fragen:
– was würden Sie an meiner Stelle tun?
– kennen Sie jemand, der das in Ordnung bringt?
Wir sind alle nur Menschen, und wer ein Problem hat, klammert sich an jeden Strohhalm. Das ist völlig normal. Ebenso normal ist, dass die meisten Auftraggeber die strenge Trennung zwischen Gutachter und Berater gar nicht wissen, und daher unbefangen und arglos nachfragen. Diese Auftraggeber wissen einfach nicht, dass sich der Gutachter, wenn er jetzt ein Gutachten ausstellt und ihnen gleichzeitig Tips gibt, auf rechtlich sehr gefährliches und wettbewerbsrechtlich sehr teures Glatteis begibt.
Wenn Sie mir Ihren Fall schildern, kann ich Ihnen sagen und selbst entscheiden, ob ich Ihnen ein Angebot als Berater mache, oder davon absehe und Ihren Auftrag zur Gutachtenerstattung annehme. Zu Ihrer eigenen Entscheidungsfindung wird nicht beitragen, dass ich Ihnen im Vorgespräch bereits Tips zur Vorgehensweise geben werde, sondern wozu ich mich aufgrund des von Ihnen geschilderten Sachverhaltes entscheiden werde. Klingt einseitig? Ist leider so!
Ausnahme: Sie kommen gleich mit einem Beratungsanliegen auf mich zu und schließen proaktiv eine Gutachtertätigkeit aus. Das muss dann aber sofort zu Beginn so von Ihnen ausformuliert werden. In der Folge trete ich dann nach außen auch nur noch als Berater auf und unterlasse jedweden Hinweis auf eine gutachterliche Beauftragung!
Rechtsberatung wird zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer Beauftragung.